12
Okt
2006

Was vom Tage übrig beibt

Stirbt ein Mensch, werden die lieben Verwandten zu raffgierigen Hyänen die sich auf alles Stürzen was wertvoll sein könnte. Ohne Respekt, ohne ein Fünkchen Anstand nehmen sie sich das, was sie glauben stünde ihnen zu. Vergessen ist der Mensch, dessen Besitz es einmal war.

So passierte es bei meiner Grossmutter. Ihr Hab und Gut, ihr Schmuck, die Gemälde, alles rissen sie sich unter den Nagel. Meine Mutter sah ihren Geschwistern und den Schwiegertöchtern und Schwiegersöhnen zu mit Entsetzen und Abscheu. Das eine kleine Möbelstück welches eigentlich mir versprochen war, riss sich meine Tante, raffgierig und geltungssüchtig wie sie ist, unter den Nagel. Mir blieb nichts, ausser die Erinnerung. Und ich hielt an nichts fest. Ich liess sie ziehen mit ihrer Beute die sie sich eroberten und den Herzen die vergassen was Liebe ist. Wir standen da und sahen wie sie in ihre Leben zurück kehrten denen jegliches Fünkchen Anstand fehlte. Ein Leben überschattet von Unglück welches sie nicht sahen. Wurden sie glücklich mit ihrer Beute? Nein, jeder erfuhr ein kleines bisschen persönliches Unglück nach kurzer Zeit.

Diese Tage würde das Spiel wieder los gehen. Meine Grosstante, welche nach vierundvierzig Jahren ihre Wohnung auflöst um sich ins Altersheim zu begeben kann nicht all ihre Habe mitnehmen. Also verschenkt oder verkauft sie einzelne Stücke. Und auch hier kommen sie herangekrochen die Verwandten die auf ein wenig Profit hoffen.Sie stand vor mir und die Tränen rannen über ihre Wangen. Ein Leben ändert sich im Alter von 84 Jahren und der Schritt den sie nun tun muss fällt ihr so unendlich schwer. Als meine Eltern, die wilden Kerle und ich sie besuchten weinte sie. Ich nahm sie in den Arm und leise liefen mir die Tränen über die Wangen. Weil ich sie so gut verstand. Weil eine solche Veränderung immer schwer ist und man ein Stück Leben zurück lässt. Sie sah mich an und meinte, dass soviel auf dem Müll landen würde. auch diese Lampe die dort in der Ecke stünde. Ungenutzt sei sie seit Jahren.

In der Ecke stand eine Ständerlampe aus den 50er Jahren mit rotem Lampenschirm. Nichts besonderes. Eine Lampe welche keinen Wert hat. Jeder Erbe würde sie auf den Müll schmeissen. Doch nun ist sie mein. Sie ist auf den ersten Blick nichts besonderes, doch mir bedeutet sie alles. Sie mag keinen materiellen Wert haben, jedoch für mich ist sie ein kleiner Schatz. Den eines schönen Tages, vielleicht war es Frühling, kaufte diese Lampe meine Grosstante. Sie spendete Licht für viele Lesestunden oder Abende mit Freunden. Es sind nicht die Diamantringe oder schönen Gemälde. Es sind solche kleinen Schätze die wahren Wert beinhalten. Den nur gewisse Menschen erkennen was in ihnen liegt. Mehr als je ein Schuckstück wert sein würde.

Und deshalb habe ich dass, was andere für Müll halten. Eine Erinnerung an einen geliebten Menschen.
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Taylors Vintage - Das Leben ist eine Baustelle

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Zuletzt aktualisiert: 12. Apr, 15:33

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