11
Jul
2007

Die verlorene Unschuld

Meine Freundin erzählte mir heute etwas, was mich aufs Tiefste betroffen machte. Sie erzählte mir folgende Geschichte:

Ihr Sohn, nenne wir ihn Paul, ist fünf Jahre alt. Er geht in den ersten Kindergarten. Als Paul vom Kindergarten am Mittag nach Hause ging, so wie er es jeden Tag tut, passte ihn ein Mann ab. Er hielt ihn fest. Er sprach mit ihm und dabei machte er komische Bewegungen. Dann fotografierte dieser Mann Paul. Er sagte "willst du Fotos sehen? Soll ich dir welche zeigen?" Paul sagte "nein,ich kann nicht. Ich muss pünktlich zuhause sein, sonst sucht mich die Polizei". Paul erzählte diese Geschichte seinen Eltern so nebenbei beim Abendbrot. Und die Eltern waren geschockt. Sie erstatteten Anzeige und fragen sich seither, was passiert mit diesen Fotos?

Gewiss, ihr werdet euch sagen, es ist ja nichts passiert. Paul ist nichts geschehen und dennoch passierte mehr als erlaubt. Als ich diese Geschichte hörte musste ich weinen. Denn ich kenne Paul seit er ein Baby ist. Er ist ein aufgeweckter, freundlicher Junge. Einer der nun seinen Kindergarten Weg nicht mehr alleine gehen kann. Seine Mutter hat Angst.

Ich bin wütend! So wütend! Früher, damals als ich zum Kindergarten ging, ging ich alleine. Niemand hatte Angst. Wir gingen zur Schule und kehrten heim! Doch heute müssen wir uns fürchten wenn wir unsere Kinder zur Türe heraus lassen. Wir müssen uns merken was sie anhaben falls den was passieren täte. Kann es dass sein? Was ist aus unserer verdammten Gesellschaft geworden? Müssen wir unseren Kindern tatsächlich einimpfen, dass diese Welt ein böser Ort ist mit bösen Menschen?

Diese Menschen. Sorry! Es sind keine Menschen. Diese verdammten scheiss Vixer, die unsere Kinder abpassen rauben ihnen die Unbeschwertheit! Sie nehmen ihnen soviel! Das Vertrauen zum Beispiel! Die perversen Subkulturen welche sich in der Anonymität des Internet ihre perversen Bilder tauschen und irgendwann den Weg ins Reale schaffen um sich dort an einem Kind zu vergreifen nehmen uns Eltern das Vertrauen. Wir sehen uns einer unbekannten Bedrohung gegenüber. Und wie soll man das unbekannte besiegen? Wären es Drogen die ein Kind nimmt gibt es viele Möglichkeiten. Doch hier sind es Menschen die wie du und ich sind. Unscheinbar. Eventuell von nebenan?

Es sind nicht die Tätowierten dubios dreinschauenden Menschen. Das Böse kommt meist in Form des gewöhnlichen, des Harmlos erscheinenden und macht es uns so schwer es zu erkennen.

Die Beschreibung von Paul zu diesem Mann war: Etwas grösser als Papa, braune Haare, Bartstoppeln, schwarzer Pullover, blaue Jeans und weisse Turnschuhe. Es könnte also jeder sein.

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momente - 11. Jul, 22:35

Mich hat es auch sehr erschlagen, als ich feststellen musste, dass ich meinen Kinder irgendwie nahe bringen muss: Nicht jeder meint es gut mit euch. Geht dem Fremden aus dem Weg. Ihr müsst nicht höflich stehen bleiben.

Das Unbeschwertsein fiel weg.

Auf der anderen Seite war "der Fremde" ohnehin Thema, in der Schule, im Kiga... Die Kinder schnappten Geschichten auf und wir Eltern mussten mit ihnen reden. Selbstbehauptungskurse ( gibt es auch für Kindergartenkinder ) wurden nachgefragt. Thematisieren ist die einzige Chance, die wir haben und danach kehrt mit "Schutzmaßnahmen" wie "Suche dir einen Laufpartner? Wie verhältst duch dich wenn dich einer anspricht? Wo sind deine Rettungsinseln ?- auch die Sicherheit zurück.

...

Bei uns dürfen Kiga- KInder rechtlich/ versicherungstechnisch nicht alleine nach Hause gehen. - Ich halte es in diesem Alter nicht für verkehrt.


Wütend machen mich solche Erlebnisse immer, Ich kann dich sehr verstehen, aber ihr könnt gemeinsam als Eltern Wege finden.

Nur Mut!

SirParker - 12. Jul, 12:44

Es ist in der Tat erschreckend, dass man heute fast täglich damit rechnen muss, dass etwas passiert.

Die Perversen sind - wie Du schon gesagt hast - dabei nicht wirklich an äußerlichen Merkmalen zu erkennen. Leider.

Gut, dass bei Paul nicht mehr passiert ist. Ich glaube seine Antwort mit der Polizei war in dem Moment gerade richtig.

Paulaline - 12. Jul, 13:18

Oh nein, ich würde nie sagen, es sei nicht passiert!

Ich hatte mit meinem Sohn (4) vor einiger Zeit diese gespräche angefangen, was sich als sehr schwierig erwies. Und es tat mir in der Seele weh, das tun zu müssen!

Als er so naiv sagte, daß wenn ihn jemand festhält er dann einfach sagt, daß er zu mir will...
Als ich ihm dann sagte, daß derjenige ihn vielleicht nicht einfach so gehen lassen wird, meinte er nur:"Naja, dann kommst Du ja und holst mich ab!"

Herrje. Ich habe keine Ahnung, wie lange es noch dauern wird, bis er es "drin" hat. Aber immerhin kam neulich auf einem Familienbesuch ein (für ihn) fremder Onkel an, der ihn herzend auf den Arm nahm und mein Zwerglein sagte sehr laut und bestimmt:"Lass das! Ich möchte sofort runter. Ich muss mich nicht anfassenlassen, wenn ich das nicht will!"
Obgleich mein Onkel etwas vewirrt guckte, ließ er ihn sofort runter und ich war unglaublich stolz auf mein Kind!

Taylors Vintage - 12. Jul, 13:48

ich denke mit der Zeit wird er schon wissen was du meinst. Aber solche Gespräche sind immer schwierig.

Die wilden Kerle wurden nie gezwungen Verwandten die Hand zu geben wenn sie nicht wollten. Was mir immer den Kommentar einbrachte "die sind überhaupt nicht Höfflich!". Aber ich sage mir, man muss nicht zu jedem nett sein.
pipistrella - 13. Jul, 23:00

nur nebenbei: es war früher nicht anders... ich rede aus eigener erfahrung. aber man ist heute sensibilisierter und redet - gott sei dank - auch offener darüber.

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