3
Jul
2006

Der Teenie und der Kampfhund

Bojan, unser Nachbarsjunge ist dreizehn. Genau in dem Alter wo man gern den grossen Macker markiert um bei seinen Kollegen Eindruck zu schinden.

Wir haben einen sogenannten Kampfhund. Floh. Eine Miniatur Bullterrierdame, zwölf Jahre alt und sowas von nicht temperamentvoll. Sie läuft wenn sie muss, mag weder Winter noch Sommer noch Regen noch allgemeines Wetter. Liegt am liebsten rum bevorzug unter dem Esstisch wenn Menschen oben essen und hofft das immer was runterfällt. Deshalb wundert es mich immer wieder wie Menschen mich schockiert und ängstlich anschauen wenn ich plus die wilden Kerle plus roaring Flöhli durch die gegend laufen. Sprich, den Hund hinter uns herziehen weil die wiedermal nicht will.

Bojan nun erhoffte sich einen Spaziergang mit Floh. Nach dreimaligem "nein, es ist kein Pitbull sondern eine Miniature Bullterrierhündin" hat er die Rasse begriffen. Ich drückte ihm die LEine in die Hand und sein Kumpel stand daneben, voller Ehrfurcht. Sie zogen los. Und ich sah zu, den es nahm mich wunder wie weit sie kommen würden. Floh anfangs locker lässig ganz Hund. Ich hörte Bojan "los Floh" und Floh trabte weiter. Dann traffen sie auf einen Kumpel "Hey, fass sie nicht an, sie ist extrem aggressiv" hörte ich den Jungen warnend. Eine völlig gelangweilte Floh stand neben ihm. "Nur ich darf sie an der Leine halten, sie ist sowas von wild" Floh sah sich um und machte keinen wank.

"Komm Floh" Floh rührte sich nicht. Er zog etwas an der Leine, seine beiden Kumpels sahen ihm dabei zu und so langsam kamen ihnen zweifel das dieser Hund eine Bestie ist und jeden anfällt der vor ihm steht.
"Los Floh" der Hund rührte sich nicht. "Floh!" er wurde lauter. Doch der Hund machte keinen Schritt. Es wurde etwas peinlich für den Teenie und ich ging auf sie zu.

"Sorry, wir waren schon vorhin laufen und sie hat etwas heiss. Die Sonne verträgt sie nicht so. Aber danke." ich nahm die Leine.
"Ist der Hund echt so agressiv?" fragte mich einer seiner Kumpels.
"Wahnsinnig....nur Bojan hat ihn im Griff" sagte ich und zwinkerte. Man Begriff.
Ich zog den Hund nach Hause und seither hat sie sich nicht vom Sofa bewegt.

Das Muttersein

"Es muss herrlich sein mit den wilden Kerlen. Ich stelle mir dein Leben absolut friedlich vor. Ich meine, welchen Stress hast du schon?" sagte meine Freundin, kinderlos und das ist wohl auch gut so, und sah mich lächelnd an. Als würde sie ein Madonnenbild betrachten. Vor ihr sass ich. Mit hochgesteckten Haaren die irgendwie völlig schief aussahen und überall aus der Spange runterhingen. Ich lächelte zurück. Leicht verkniffen.

Das Bild welches man von anderen Menschen hat ist immer ein Bild welches man im Moment sieht. Eine Momentaufnahme. Alle Paare welche man im Ausgang trifft wirken glücklich. Ich selbst kenne auch niemanden der seine Fehden in Kurt Aeschbachers Laborbar austrägt am Freitag Abend um sich so aufs Weekend einzustimmen. Und Mütter wirken meist auch völlig ausgeglichen und sowas von happy.

Doch seien wir ehrlich. Es gibt Tage da hätte man gern die Telefonnummer der NASA um einen one way Flug ins All zu buchen. Nur für ein paar Stunden zwar, aber man würde seine Kinder in die Rakete setzen und dann persönlich den roten Knopf drücken. Es wäre eine solche Erleichterung. EInfach Ruhe! Kein geheul, kein gequengel und einige Stunden absolute Stille. Herrlich.

Doch diese Momente sind selten. Sie sind da aber sie sind selten. Die Momente in denen man am liebsten die Zeit anhalten würde sind die Häufigsten. Man merkt wie die Zeit rast, wie das kleine Bündel in der Pampers Nr. 1 Windel mittlerweile schon alleine Rad fährt . Wie der Kindergarten immer näher Rückt und wie die Babyzeit immer mehr in weiter ferne ist. Da möchte man die Zeit anhalten. Einfach weil es schöne Momente sind. Weil es Momente sind die als Erinnerung tief in uns verwurzelt sind. Keiner bringt sie uns wieder aber wir hüten sie wie einen Schatz.

Und deshalb darf ich getrost sagen, auch wenn die Kleidung Bananenflecken hat, die Schuhe keine HighHeels sind sondern Sneakers und die Haare meist in der Gegend rumhängen wie Kraut, es ist toll. Es ist wunderbar. Und es ist mit nichts auf der Welt zu vergleichen. Es ist nicht Harmonie, es ist nicht Happiness a la Persilfamilie, es ist einfach so wie es ist. Bei jedem anders und jeder macht es anders. Aber, für mich, ist es toll. Und ich würde mit niemandem auf der Welt tauschen wollen.
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